“Openness and participation are antidotes to surveillance and control.” Howard Rheingold
Inhaltsverzeichnis
Das Credo „Partizipativ führen“ ist auf dem Vormarsch
In den letzten Jahren ist der Partizipationsgrad in Unternehmen zunehmend gestiegen:
Die New Work Ära führte zunehmend zum Auflösen des Silo-Denkens. Bereichsübergreifende Projekte und Initiativen sowie unternehmensweite Kollaborationsplattformen führten dazu, dass wir an der Arbeit unserer Kollegen zunehmend passiv oder aktiv partizipierten.
Mit agilen Methoden wie SCRUM wurde ein strukturiertes und offenes Team-Miteinander geschaffen. Der Schulterblick des Kunden ist mittlerweile zum Normalzustand geworden.
Mittlerweile hat Partizipation auch zunehmend in Führungs- und Steuerungsprozessen Platz gefunden. Von All-Hands-Meetings, über integrative Zielfindungsmethoden (wie z.B. OKRs) bis hin zu holokratischen Organisationsstrukturen mit autarker Selbststeuerung von Teams.
Eine großartige Entwicklung – denn vielen Perspektiven verbessern meist auch die Qualität der strategischen Arbeit.
Partizipation für alle gewinnbringend einsetzen
In der Diskussion mit Kunden sind mir einige Punkte aufgefallen, die – trotz beispielhafter Offenheit gegenüber dem Gedanken der Partizipation – zu Frustration führen können:
- Konsenskultur: Die Harmonie ist wichtiger als der Inhalt
- Langsamkeit: Langwierige Abstimmungsprozesse in Meetings belasten die Geduld
- Schattenkommunikation: Wichtige Entscheidungen werden in alten Strukturen getroffen
- Überforderung Mitarbeiter: Kompetenzen für strategische Entscheidungen werden nicht aufgebaut
- Quantität statt Qualität: Expertise wird zugunsten des Mehrheitsdenkens aufgegeben
6 Tipps um Frustrationsmomente zu vermeiden
1. What’s the Deal? Spielregeln festlegen
Gerade bei der Einführung von partizipativen Entscheidungsprozessen ist es wichtig, offen und ehrlich zu kommunizieren welche Spielregeln für welche Situationen und Rollen gelten. Diese Regeln sollten konsequent eingehalten werden, damit die Mechanismen in den Unternehmensalltag übergehen können und Vertrauen bei den Beteiligten geschaffen wird.
Tipp: Erstellen Sie gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern ein „Playbook“, das die Entscheidungs- und Partizipationsmechanismen für alle offen darlegt.
2. Qualität: Expertise und Erfahrung wertschätzen
Die Qualität von Entscheidungen steigt, mit der Anzahl von Entscheidungsakteuren – es sei denn es handelt sich um ein komplexes Problem, dass auf Basis von Expertise gelöst werden sollte. Stimmen hier Nicht-Expertenträger mit ab, kann sich die Qualität der Entscheidung verringern.
Es wäre schade, wenn dieser Mechanismus Ihren Partizipationsprozess zurückwirft. Es lohnt sich daher zu unterscheiden, wann ein Mehrheitsbeschluss durch viele Beteiligte zum Ziel führt und wann Erfahrungswissen und Expertise notwendig sind, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Tipp: Berücksichtigen Sie beide Szenarien und geben Sie den Experten und Erfahrungsträgern im Team Raum, ihre Einschätzung abzugeben.
3. Fokus: Bike-Shed Effekt vermeiden
In seinem „Parkinsonschen Gesetz“ beschreibt C.N. Parkinson schon 1957 den Effekt, dass in Teammeetings häufig das einfachste (und manchmal banalste) Problem intensiv diskutiert wird, anstatt sich den wirklich wichtigen (und komplexen) zuzuwenden. Der Effekt verdankt den Namen „Bike-Shed“ der von Parkinson gewählten Situation, dass beim Bau einer Nuklearanlage – anstatt der Verabschiedung der Konstruktionspläne der Ort der Fahrradabstellplätze diskutiert wurde.
Tipp: Machen Sie sich klar, welcher Impact denzu treffenden Entscheidungen zugrunde liegen. Fokussieren Sie im Meeting die Entscheidungen mit dem höchsten Impact und lösen Sie unwichtigere Entscheidungen dezentral bzw. zeitversetzt.
4. Bias erkennen: Selbstwahrnehmung in Teams stärken
Es gibt viele Möglichkeiten der „kognitiven Verzerrung“ – einige davon hat Daniel Kahnemann in seinem Buch „Thinking fast and slow“ untersucht. In Team-Situationen weist er unter anderem auf verschiedene „Verzerrungs-Arten“ hin (Bias). Vom Gruppendenken – über den Autoritäts-Bias bis hin zum Dunning-Kruger Effekt – wir Menschen bleiben in unseren Einschätzungen menschlich. Deshalb lohnt es sich gerade in Entscheidungsmeetings, den Bias-Effekt zu berücksichtigen und Team-Entscheidung ggf. zu überprüfen.
Tipp: Sammeln Sie Bias-Situationen, die Sie im Unternehmen vermeiden möchten und halten Sie diese in Meetings als Karten bereit. Wann immer ein Teilnehmer einen Bias erkennt, kann er die Karte ziehen und eine Entscheidung nochmals zur Diskussion stellen.
5. Diskurskultur fördern: Gemeinsam durch die „Groan-Zone“
Je wichtiger und bedeutender Entscheidungen wahrgenommen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, die aus unterschiedlichen Meinungen resultieren.
Zwischen der Phase divergierender Meinungen (z.B. im Brainstorming) und deren Zusammenführung (Entscheidung) liegt die „Groan-Zone“. Sie macht sich durch eine gewisse Ungeduld und Verunsicherung im Teilnehmerkreis bemerkbar. Auch ist die Stimmung in dieser Zone häufig angespannt.
Dennoch ist sie wichtig, denn in ihr einigen sich die Meeting-Teilnehmer auf einen gemeinsamen Entscheidungsrahmen.
Tipp: Sprechen Sie die „Groan-Zone“ offen an und legen Sie gemeinsam Kriterien fest, um zu einer Entscheidung zu kommen.
6. Gemeinsame Weiterentwicklung: Reifegrade einkalkulieren
Genau wie die Unternehmenskultur, so variiert auch der Reifegrad eines jeden Unternehmens. Versuchen Sie nichts zu erzwingen, sondern gestatten Sie sich und Ihren Mitarbeitern den „Partizipations-Weg“ gemeinsam zu gestalten.
Tipp: Führen Sie in regelmäßigen Abständen hierarchieübergreifende Feedbacks und Retros durch. So können Sie die verschiedenen Elemente der Partizipation gezielt anpassen.
FAZIT
Egal ob Sie gerade Ihre ersten Schritte in Richtung Partizipation unternehmen, oder bereits fortgeschritten sind: geben Sie sich Zeit zu wachsen. Rollen, Spielregeln und Mandate können gemeinsam hinterfragt und modifiziert werden. So entsteht eine für Ihr Unternehmen individuelle Partizipationskultur.